Der Sonntag

Teil 2 Kapitel 5, Seite 76 ff
Unsere Mutter, die heilige Kirche, gebietet uns, an Sonn- und Feiertagen das heilige Messopfer andächtig mitzufeiern. Sie tut dies aus mancherlei Überlegungen heraus: wegen des darin enthaltenen Gnadenschatzes, wegen der innigen und realen Verbindung mit Christus, die uns dieses Sakrament schenkt, weil die Eucharistie Quelle und Höhepunkt des christlichen Lebens ist. Der Katechismus der Katholischen Kirche ist voll von solchen Gründen. Doch ein wichtiger Grund ist sicher die Konstanz in der Gottesbeziehung. Eines muss klar sein: Gott bedarf unseres Kirchgangs nicht. Seine Beziehung zu uns bleibt konstant und unverletzlich. Ich vielmehr habe immer wieder diesen ganz bewussten Akt des "zu Gott Gehens" nötig, damit meine Beziehung zu ihm nicht in den Sorgen und Widerwärtigkeiten des Alltags unter geht.

Eigentlich sollte ich den Sonntag viel bewusster als Tag des Herrn erleben und feiern, so etwa, wie ich den Geburtstag meiner Frau oder meiner Kinder feiere. Es ist Sein Tag in meinem Leben. Dieser Tag durchbricht meinen Alltag. Er sollte immer ein Neubeginn, ein neuer erster Schritt auf meinem Weg zur Heiligkeit werden. Dazu will mir auch die wunderbare und wirkliche Verbindung mit Gott in der heiligen Kommunion verhelfen. Dort sollte ich versuchen, jedes Mal ganz bewusst das "Du bist bei mir!" zu erleben. Das wäre der Idealzustand. Der Weg zur Heiligkeit ist die "Bewusstwerdung" Gottes in meinem Leben. Die ganze Liturgie ist ein bewusst machen, dass Gott da ist, dass er mir begegnet und ich ihm begegnen kann, wenn ich nur will. Dieses Bewusstsein sollte mich den ganzen Tag begleiten und so ausstrahlen auf die Woche, auf den Alltag, wo Gott genau so mit mir ist, wo ich genau so mit Gott sein kann, wenn ich dies nur will.

"Wie dein Sonntag, so dein Sterbetag!" sagte uns damals unser alter Herr Pfarrer im Religionsunterricht oft. Wir verstanden das vielleicht etwas einseitig formalistisch, indem wir glaubten, es genüge, die Sonntagsmesse nicht zu versäumen, um am Sterbebett einen Priester zu erhalten. Doch diese Volksweisheit hat einen viel tieferen Sinn. Wenn ich den Sonntag immer als Tag des Herrn feiern würde, dann würde sich meine Gottesbeziehung auch im Alltag immer besser entfalten, so dass ich schlussendlich vor dem Sterbetag, wie immer er auch äußerlich ausfallen mag, keinerlei Angst zu haben bräuchte. Immer größer würde dann mein Vertrauen, dass Gott aus diesem Tag ebenfalls einen Sonntag, Seinen Tag für mich, machen würde.

Dazu kommt natürlich, dass der Wert des heiligen Messopfers für mich nicht nur in diesem eher psychologischen Sinn sehr groß ist. Viel größer ist noch die Antwort Gottes auf meinen Schritt ihm entgegen. Diese Antwort Gottes in der Kraft seines Sakramentes wurde schon in vielen Büchern und Predigten beschrieben. Ich kann hier aus meiner Anfängeroptik kaum mitreden. Aber gerade als Anfänger kann ich immer wieder erleben, wie dieses Wechselspiel von Gnade Gottes und meiner Antwort darauf mir immer neu die Kraft Gottes für neue Antworten meinerseits schenkt. Selbstverständlich ist dies kein linearer Prozess. Meine Schwächen, meine Fehler und Sünden, meine körperliche und psychische Verfassung, aber auch die effektiven oder meist nur vermeintlichen Fehler anderer bringen immer wieder Sonntage mit sich, die weit entfernt sind von diesem Ideal, die mir anscheinend auf dem Weg zur Heiligkeit nichts bringen oder mich gar zurückwerfen. Dann wird die Konstanz, das Durchhalten, zur Brücke, solche Tiefs zu überwinden.

Der Sonntag kann für mich also mein Tag für Gott wie Gottes Tag für mich werden. In diesem Gedanken zeigt sich auch sehr schön der Begriff "Beziehung zu Gott" als etwas Gegenseitiges, als ein Eingehen des einen auf den anderen, selbst wenn zwischen mir und Gott Welten stehen. Er schenkt mir seinen Tag, damit ich ihm meinen Tag schenken kann. Und wenn ich diesen Gedanken weiterspinne, dann bin ich wieder dort, wo der Sonntag in meinen Alltag hineingreift, wo dann langsam auch der Alltag zum Sonntag wird, damit mein Sterbetag ebenfalls Sonntag, Tag des Herrn für mich werden kann.

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