Das Streben nach Heiligkeit ist nichts anderes,
als Gott seinen Platz zu geben in meinem Leben
und im Leben der Welt.
 

Pater E.R. machte mit mir das folgende Interview für seine Internetseite.
Aus verschiedenen Gründen wurde es schlussendlich doch nicht veröffentlicht.


Sehr geehrter Herr Fleischer, Sie haben ein Buch geschrieben "Heiligkeit für Anfänger". Wie kamen Sie auf diese Idee? Können Sie etwas über sich selber sagen?

Der direkte Anstoss zu meinem Buch war, so wie ich es im Rückblick sehe, ein anderes Buch, nämlich „Die Nachfolge Christi“ von Thomas von Kempen. Das Buch faszinierte mich einerseits, aber andererseits spürte ich, dass ich und wahrscheinlich noch viele Menschen unsere Zeit - diese mittelalterliche Spiritualität nicht einfach so würden übernehmen können. Also setzte ich mich in meinem „jugendlichen Übermut“ hin und begann, eine eigene „Nachfolge Christi“ zu schreiben.

Damit ich aber überhaupt auf Thomas vom Kempten kam, ereignete sich so viel in meinem Leben, dass es unmöglich ist, hier auch nur einigermassen alles zu erwähnen. Entscheidend dürfte gewesen sein, dass ich irgendwann zwischen die Fronten von Modernisten und Konservativen geriet. Das zwang mich nämlich, mich überhaupt wieder einmal ernsthaft mit meinem Glauben, mit meiner Kirche und mit meiner eigenen Spiritualität auseinander zu setzen.

Welche Heiligen und deren Spiritualität dienten Ihnen während des Schreibens am meisten als Leitbild?

Hier muss ich Ihnen gestehen, dass ich im Grunde genommen ein starker Individualist, ein Kind der modernen Zeit bin. Mich in meinem Leben an einen Heiligen und seine Spiritualität anzulehnen, das widerspricht irgendwie meinem Freiheitsdrang. Für mich steht auch in der Spiritualität das „Hier und Jetzt“ im Vordergrund. Was ich an sehr vielen Heiligen, von früher und von heute, besonders bewundere, ist, wie sie aus ihrem ganz gewöhnlichen Alltag ein Leben mit Gott, und deshalb in Gott machten. Wenn ich es mir jetzt so überlege, dann fällt mir zuerst Johannes Paul II. ein. Dass er ein Heiliger sei, das kam doch den allermeisten Menschen erst bei seinem Tod in den Sinn.

Ist Heiligkeit für den modernen Menschen überhaupt ein attraktives Ziel?

Nehmen wir nochmals Johannes Paul II. Ich glaube, viele Menschen möchten so sein, wie er es war. Dass sie dabei nicht an Heiligkeit denken, dass sie den Gedanken, einmal heilig werden zu wollen, dabei weit von sich weisen, hängt vielleicht damit zusammen, dass Heiligkeit in ihren Köpfen ein unerreichbares Ziel ist. Ob hier die Verkündigung versagt hat, ob Heiligkeit nicht viel zu stark mit dem Bild von kanonisierten Heiligen verknüpft wurde, kann ich nicht beurteilen. Ich glaube aber, dass wir heute unbedingt diesen Begriff wieder aufs Tapet bringen müssen, und zwar schlicht und einfach als die persönliche Berufung eines jeden Christen. So wie sich heute viele Menschen für den Sport begeistern, im vollen Bewusstsein, dass sie es nie bis zum Spitzensportler bringen werden, so sollten auch wir uns und die Menschen um uns für die Heiligkeit begeistern, für jene Heiligkeit, in der es zuerst einmal darum geht, schlussendlich die „Finisher-Medaille“ in Empfang nehmen zu können. Wenn dann noch ein Platz in den vorderen Rängen herausschaut, umso besser.

Wie schätzen Sie die gegenwärtige Situation der Kirche ein? Ist sie für Menschen, die nach Heiligkeit streben, förderlich? Oder umgekehrt gefragt: Wenn Sie, ein einfacher Laie, ein Buch über die Heiligkeit schreiben, bedeutet dies, dass es heute in der Kirche einen Mangel an spiritueller Orientierung gibt?

Jede Zeit und jede Situation in der Kirche hat für den Einzelnen ihre eigenen Anstösse und Hemmnisse auf dem Weg zur Heiligkeit. Ob unsere heutige Zeit besser oder schlechter ist, darüber zu spekulieren ist meines Erachtens Zeitverschwendung. Die Frage ist, was mache ich aus dieser Situation.

Für mich ist die heutige, schwierige Situation, in der wir eher zuviel als zu wenig „Orientierungen“ haben, die grosse Chance, die eigene Verantwortung wahrzunehmen, mich persönlich zu entscheiden. Ich habe schon erwähnt, wie mich der Streit zwischen den verschiedenen Richtungen in unserer Kirche dazu geführt hat, neu ein ganz bewusstes „Ja“ zum Glauben und zur Kirche (so wie sie ist, auch wenn auch ich sie mir manchmal anders wünschen würde) zu sagen. Dass daraus auch ein „Ja“ wurde, den Weg zur Heiligkeit zu gehen zu versuchen, das war dann nur noch die logische Konsequenz.

Wie können Menschen, die nach Heiligkeit streben, etwas beitragen zur Lösung der grossen Probleme unserer Zeit? Besteht nicht die Gefahr, weltfremd zu werden?

Darf ich nochmals auf Johannes Paul II. verweisen? (Ich merke selber erst jetzt, wie wichtig er mir geworden ist.) Ihn als weltfremd zu bezeichnen, das wagen selbst seine grössten Kritiker nur in gewissen Detailfragen, auf die wir hier nicht eingehen müssen.

Das Streben nach Heiligkeit ist ja nichts anderes als das Bemühen, Gott seinen Platz in meinem Leben, und damit in der Welt von heute zu geben. Diese Welt versucht, „die Rechnung ohne den Wirt zu machen“, all ihre Probleme ohne den Schöpfer und Herrn dieser Welt zu lösen. Das aber kann nie gut gehen, weder in meinen eigenen Leben, noch in der Gesellschaft. Darum sind meines Erachtens die Menschen, die nach Heiligkeit streben, die grossen Problemlöser unserer Zeit.

Was sagen Sie zum Vorwurf des Heilsegoismus an jene, die daran denken, sich zu heiligen und ihre Seele zu retten?

„Heilsegoismus“ ist ein böses Wort. Doch wenn ich es mir richtig überlege, die Versuchung dazu ist sicher vorhanden, auch in meinem Leben. In meinem Büchlein habe ich darauf im Kapitel über die Selbstsucht hingewiesen, die ich langsam aber sicher umwandeln muss in eine Gottessucht. „Der Mensch steht bei uns im Mittelpunkt“ stand einmal als erster Satz im Leitbild einer Firma. Ein Witzbold schrieb darunter „darum überall im Wege!“ Wie Recht er doch hatte. Wo der Mensch im Zentrum steht, sei es da eigene Ich, sei es der Mensch, die Menschheit als solche, sei es eine Gruppe, meine Freunde oder eine Interessengemeinschaft, da steht er allen und sich selbst im Wege. Wo aber Gott im Zentrum steht, da ist ER „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ auch zwischen uns Menschen.

Nur, das ist der Endzustand, das Ziel, auf das hin wir auf dem Weg sind. Jeder Schritt vorwärts auf diesem Weg ist nicht nur ein Schritt weiter hin zu meinem ewigen Ziel, sondern auch ein Schritt hin zu einer besseren Welt.

Wie geht das Buch? Haben Sie Reaktionen von Lesern bekommen?

Die Verkaufszahlen kenne ich nicht. Ich habe auch nie mit einem grossen Erfolg gerechnet. Ich sage mir immer, diese Veröffentlichung sei für mich ein Hobby, und solche dürfen auch etwas kosten.

Am meisten profitiert von diesem Buch habe sicher ich selber. Mir hat die Arbeit daran sehr geholfen, meinen Weg zu finden und es hilft mir immer wieder, ihn auch zu gehen. Im Augenblick bin ich daran, es parallel zur „Nachfolge Christi“ zu lesen, jeden Tag ein Kapitel von beiden. Eine spannende Angelegenheit.

Wenn dieses Buch auch anderen Menschen nützlich ist auf ihrem persönlichen Weg (und verschiedene Reaktionen deuten darauf hin), dann darf ich dafür Gott sehr dankbar sein. Wenn wieder andere damit nichts anfangen können (auch das kommt vor), dann begreife ich dies genau so gut. Es ist doch sehr stark meine eigene Spiritualität. Und mit welchen Mitteln Gott jeden Einzelnen zu sich führen will, das dürfen wir ruhig seiner weisen Pädagogik überlassen.

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