Eine Beziehung aufbauen kann ich nur zu
jemandem, den ich kenne. In diesem Satz tönt bereits das wahrscheinlich
Wichtigste eines jeden christlichen Gottesbegriffes an. Gott ist
Person. Dass dieser Gott ein Gott in drei Personen ist, spielt für
meine Beziehung zu ihm selbstverständlich eine wichtige Rolle. Aber
zunächst möchte ich mich auf die Personenhaftigkeit Gottes an sich
konzentrieren.
Würde ich nicht an die Person Gottes
glauben, wäre Gott für mich einfach irgend ein Wesen, eine höhere
Macht, das Zentrum des Universums oder das Innerste meines Lebens, wie
könnte dann eine echte Beziehung zu einem solchen Gott entstehen? Ein
vager Gott erlaubt höchsten ein vages Gefühl ihm gegenüber. Nur eine
konkrete Person kann mit mir - und ich mit ihr - in Kontakt treten. Nur
als Person kann Gott mich als Person ernst nehmen wie auch ich
umgekehrt Gott nur als Person wirklich ernst nehmen kann.
Zu jeder echten Beziehung aber gehört,
dass sich die Partner ernst nehmen. Es ist ein herrlicher Gedanke, dass
Gott mich ernst nimmt. Konsequenz davon aber ist, dass ich mich bemühe,
Gott ernst zu nehmen. Dass dies nicht ganz so leicht ist, habe ich
schon öfters erfahren. Es bedingt, dass ich mir einerseits eine
konkrete Vorstellung von Gott mache. Andererseits aber darf ich Gott in
seiner Größe nicht in meine Vorstellungswelt hinein zwängen. Das
bedeutet, dass diese Vorstellung von Gott einerseits sehr konkret und
andererseits sehr offen für das noch Größere, ich möchte fast sagen für
die "Überraschung Gott" sein muss. Ich glaube, auch das wird noch
weiter zu vertiefen sein.
Wer ist also Gott? (Die Frage nach dem
"was" erübrigt sich wohl.) Wer ist diese Person, beziehungsweise wer
ist dieser Gott in drei Personen? Das Geheimnis der Dreieinigkeit kann
ein tiefer Schlüssel zu Gott sein. Einerseits zeigt es uns Gott sehr
konkret in drei einzelnen Personen, in einer Form also, die unserem
Verstand, unserem Gefühl und unserer Erfahrung entgegenkommen.
Andererseits verhindert das Geheimnis des einen Gottes, dass ich diese
Personen allein für meine Welt, für meine persönliche Vorstellung und
meinen Bedarf vereinnahme. Gott der Dreieine kann mir so sehr nahe
sein, ohne seine Größe und Ferne aufzugeben.
Diese Überlegungen zu Gott sollen im
Augenblick genügen. Wichtig ist, dass diese Heiligkeit, zu der ich neu
aufbrechen möchte, eine tiefe, das heißt möglichst echte Beziehung zu
diesem einen Gott in drei Personen ist.
Wege zur Heiligkeit
So wie es verschiedene, ganz persönliche
Arten der Heiligkeit gibt, so gibt es auch verschiedene, ganz
persönliche Wege dazu. Mein eigenes Leben verläuft nie geradlinig, nur
auf einer Spur. Deshalb gibt es auch für jeden Menschen verschiedene
Wege zur Heiligkeit, Wege, die sich ergänzen, von denen je nach Zeit
und Umstände der eine oder andere in den Vordergrund tritt. Das darf
nicht erstaunen oder gar irritieren. Wer sich selbst beobachtet weiß,
wie vielschichtig sein eigenes Wesen ist. Und jede dieser Schichten hat
ihren eigenen Weg zur Heiligkeit. Heiligkeit umfasst immer den ganzen
Menschen. So kommt es, dass wir manchmal den Eindruck erhalten,
mehrspurig auf unser Ziel zuzulaufen.
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Wenn Heiligkeit die Beziehung zu Gott
ist, dann ist eine Grundvoraussetzung dafür ein Leben mit Gott. Vor
vielen Jahren erzählte einmal ein Prediger in unserer Kirche: Immer,
wenn er am Morgen aus dem Haus gehe, bete er: "Du bist bei mir, bleibe
Du bei mir". Ich habe diese Predigt zunächst vergessen. Vor einiger
Zeit, als ich mich aufmachte meinen Glauben wieder etwas intensi-ver zu
leben, kam sie mir plötzlich wieder in den Sinn. Ja ich merkte, dass
diese Predigt eines der Schlüsselerlebnisse meines Lebens war.
Auf dem Weg zur Heiligkeit geht es doch
zuerst einmal darum, sich Gott überhaupt bewusst zu werden. Heiligkeit
wäre dann, immer und jederzeit im Bewusstsein der Gegenwart Gottes zu
leben. "Du bist bei mir, Gott!" Diese Feststellung sollte mich
eigentlich immer begleiten. Unser Glaube lehrt die Allgegenwart Gottes.
Wenn ich heute darüber nachdenke, was das bedeutet, dann geht mir auf,
dass es eigentlich nichts anderes ist als dieses "Du bist bei mir!" -
gültig für jeden Menschen in jeder, auch der banalsten Situation. "Du
bist bei mir, Gott!" gilt also immer, auch in den alltäglichen Momenten
des Lebens, nicht nur am Morgen, wenn ich aus dem Haus gehe, schon im
Schlaf der Nacht und beim Erwachen, beim Waschen und Anziehen, beim
Essen, einfach immer und überall. Wäre ich mir dieser Allgegenwart
Gottes besser bewusst, wie viel in meinem Leben würde sich ändern!
Nein, nicht dass ich meinen Beruf aufgeben, meinen Ehepartner
verlassen, oder sonst irgend etwas Großes oder Außerordentliches tun
müsste. Das Leben ginge ganz normal weiter. Und doch wäre alles ein
wenig anders, ein wenig überlegter, ein wenig bewusster, etwas weniger
egozentrisch. Mein kleines "Ich" wäre dann plötzlich nicht mehr so oft
allein wichtig. Es gäbe da noch ein anderes "Ich", ein "Du", das bei
mir, das neben mir ist, das mich begleitet.
Dieses ständige Gottesbewusstsein aber
ist nicht einfach und schon gar nicht in kurzer Zeit lernbar. Darum
folgt dem "Du bist bei mir!" immer auch gleich die Bitte: "Bleibe Du
bei mir!" Das ist kein Widerspruch. Gott ist bei mir, immer und
überall. Aber er muss in meinem Bewusstsein bleiben, er muss mich in
einem gewissen Sinn immer wieder an seine Gegenwart erinnern. Ich habe
vor kurzem einmal einem frisch verliebten Paar zugeschaut. In
regelmäßigen Abständen fragten sie sich: "Hast Du mich immer noch
gern?" Es war ein ständiges sich dem anderen in Erinnerung rufen.
Irgendwie habe auch ich es nötig, dass sich Gott mir immer wieder in
Erinnerung ruft. Er tut dies auch, auf vielfältige Art und Weise. Wenn
ich nun bete: "Bleibe Du bei mir!", dann ist dies nichts anderes als
der Versuch, aufmerksam zu werden auf das "Hast Du mich immer noch
gern?" Gottes an mich.
Ein anderes noch lehrt mich dieses Bild
des ver liebten Paares. Immer wieder passieren Dinge, die der andere
nicht besonders schätzt, die er vielleichtEin anderes noch lehrt mich
dieses Bild des ver-liebten Paares. Immer wieder passieren Dinge, die
der andere nicht besonders schätzt, die er vielleicht sogar falsch
versteht. In dieser Situation den anderen zu akzeptieren, gilt auch bei
Gott. Auch er erinnert sich uns manchmal durch Situationen, die wir
nicht besonders schätzen, auch ihn können wir nicht immer verstehen.
Aber selbst dann sollte ich die Stimme hören: "Hast du mich immer noch
gern?" Eigentlich sollte ich in jeder Situation diese Stimme hören. Und
dies lässt sich üben. Begonnen habe ich persönlich damit, dass ich mich
fragte, warum ich mich eigentlich so sehr dafür interessiere, was schon
wieder passiert sei, wenn ich das Jakobshorn der Polizei oder der
Feuerwehr hörte. Dann habe ich mich bemüht jedes Mal zu beten, Gott
möge diesen Einsatz segnen, diejenigen, die ihn leisten und diejenigen,
die davon betroffen sind. Wenn mir das gelang, dann war meine Neugierde
schnell einmal vorbei. "Du bist bei mir!" Das Bewusstsein, dass dieses
Du auch bei den anderen ist, hilft, mich nicht einzumischen, wo ich
nichts zu suchen habe, wo es mich nichts angeht, wo ich nur hinderlich
wäre.
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Jeder Weg beginnt mit einem ganz konkreten ersten Schritt. Der ganze Weg ist nichts anderes als ein konkreter Schritt nach dem anderen. Theorien und Spekulationen über die Heiligkeit und die Wege dazu sind schön und gut. Doch irgend einmal muss ich den ersten konkreten Schritt auf diesem Weg wagen. Und immer wieder muss ich dann ganz konkrete Schritte tun, einen nach dem anderen.
Auf jedem Weg gibt es Etappen. Um den Weg fortzusetzen muss dann immer wieder neu der erste Schritt getan werden. Auf dem Weg zur Heiligkeit gibt es einerseits ebenfalls solche Etappen, daneben aber auch Rückschläge und Abirrungen. Darum ist es auch auf diesem Weg nötig, immer wieder den ersten Schritte zu tun, neu zu beginnen, dort, wo ich stehen geblieben, dort, wohin ich zurück gefallen bin. Diese ersten Schritte sind enorm wichtig, besonders für den Anfänger. Gerade er ist immer wieder versucht, stehen zu bleiben und aufzugeben. Um diese Versuchungen zu überwinden, gibt es kein besseres Mittel als wieder einen neuen ersten Schritt zu tun.
Wenn ich zurückdenke an die Spaziergänge mit meinen Kindern oder wenn ich heute manchmal Eltern mit Kindern beobachte, dann gibt es Situationen, in denen die Kinder gerne mitgehen, ja sogar voraus laufen. Es gibt aber auch Momente, in denen sie hinterher stapfen, oder gar stehen bleiben und nicht mehr mögen. Schimpfen und Drohen hilft dann gar nichts. Es braucht dann immer wieder einen neuen Anstoß, den ersten, das heißt nächsten Schritt zu tun. Es braucht eine neue Motivation, etwas zu trinken in der nächsten Wirtschaft zum Beispiel. Oder es braucht ein ganz nahes Ziel, den nächsten Wald etwa, wenn es auf der Landstraße heiß wird.
Auch auf meinem Weg zur Heiligkeit gibt es Mo-mente, in denen die Schritte leichter fallen, in denen ich mich wohl fühle auf dem Weg. Und es gibt Situationen, in denen ich keine Lust mehr habe, zu Hause sein oder einfach nur stehen bleiben, mich hinlegen, einschlafen möchte. Dann braucht es immer wieder diesen Anstoß, einen neuen Schritt zu tun, eine neue Motivation, ein neues nächstes Ziel. Solche konkreten Ziele und Motivationen gibt mir Gott immer wieder, wenn ich auf ihn höre. Doch dieses Hören auf Gott, dieses sich von Gott motivieren lassen, dieses Achten auf den nächsten möglichen Schritt will gelernt und geübt sein. Gerade das Bild der spazierenden Kinder zeigt uns das sehr deutlich. Kinder, die viel mit ihren Eltern wandern, haben weniger Mühe, ja, haben sich fast unbewusst gewisse Verhaltensweisen angeeignet, die ihnen über momentane Schwierigkeiten hinweg helfen. Sie bleiben vielleicht ganz nahe bei der Mutter, halten ihre Hand. Oder sie beginnen zu singen, bitten den Vater um eine Geschichte. So können auch wir uns auf den Weg ganz konkrete Verhaltensweisen aneignen, die uns helfen, über Müdigkeit und Schwäche hinweg zu kommen, auch wenn wir das Gefühl haben, nicht mehr zu können. Mir selber helfen je nach Situation ver-schiedene Techniken; einige davon möchte ich hier näher beschreiben.
Selbstverständlich muss ich diese Techniken im-mer situationsgerecht einsetzen. Ich muss das Gespür in mir entwickeln, was mir im Augenblick am meisten hilft. Dann werde ich mit der Zeit gewisse Automatismen entwickeln, um über bestimmte Schwierigkeiten hinweg zu kommen. Es werden sich Gewohnheiten einstellen, die sich dann wie ein roter Faden durch mein Leben oder auch nur durch eine bestimmte Periode meines Lebens ziehen. Und diese helfen mir nicht nur bei den immer wieder notwendig werdenden ersten Schritten, sondern auch für einen regelmäßigeren, weniger ermüdenden Rhythmus des Voranschreitens.
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Nachdem wir nun über die Wege zur Heiligkeit nachgedacht und uns mit einigen konkreten Schritten auf diesem Weg beschäftigt haben, wird es Zeit, sich einmal den Stolpersteinen auf diesem Weg zuzuwenden.
Der erste dieser Steine auf meinem Weg, die zu Stolpersteinen werden, ist mein Stolz. Er ist es, der mich dazu verleitet, erhobenen Hauptes durchs Leben zu gehen, nicht auf den Boden der Wirklichkeit zu achten. Mit dieser Haltung aber falle ich früher oder später ganz sicher auf die Nase. Das wird zwar immer wieder vorkommen und kann gerade für mich als Anfänger recht heilsam sein. Angenehm aber ist es auf keinen Fall.
Die meisten Stolpersteine auf meinem Weg sind nur halb so gefährlich, wenn ich sie sehe und sie als solche erkenne. Meist kann ich ihnen dann ausweichen oder über sie hinweg steigen. Wenn ich sie aber nicht sehe oder nicht beachte, dann stößt sich mein Fuß schnell einmal daran, dann werde ich rasch einmal zu Fall kommen. Darum ist das beste Mittel gegen jegliche Art von Stolpersteinen, meinen eigenen Stolz zu bekämpfen.
Stolz hat nichts zu tun mit einem gesunden Selbstwertgefühl und dem Bewusstsein meiner Stärken. Diese brauche ich, um meinen Weg auf-recht und froh gehen zu können. Der für mich gefährliche Stolz ist vielleicht besser umschrieben mit dem Begriff Überheblichkeit. Ich hebe mich über das hinaus, was ich eigentlich bin. Ich bilde mir ein, Stärken, Fähigkeiten und Tugenden zu besitzen, die ich mir bisher kaum ansatzweise angeeignet habe. Ich sehe mich im besten Licht, überzeichne meine guten Seiten und verharmlose meine schlechten. Ich bin schon jetzt der, der ich gerne sein möchte - und ganz sicher nicht so schlecht wie die anderen.
Das beste Mittel gegen den Stolz ist eine ehrliche Gewissenserforschung. Sobald ich mir wirklich bewusst werde, was ich selber alles falsch ge-macht, wo ich überall versagt, gefehlt und gesün-digt habe, merke ich, dass ich eigentlich gar keinen Grund habe, auf andere herabzusehen. Doch selbst, wenn ich dies erkenne, fällt es nicht leicht, von meinem Stolz loszukommen. Dieser meldet sich bei jeder noch so unscheinbaren Gelegenheit wieder. Sofort vergesse ich dann, was ich kurz zuvor noch als Fehler und Gefahr erkannt habe. Oder ich glaube, diesen Fehler bestimmt nie mehr begehen zu können - und schon habe ich ihn wieder begangen oder dann einen anderen, noch weit schlimmeren. Darum ist es so wichtig, seine Gewissenserforschung vor Gott zu machen. Das klingt selbstverständlich. Doch mein Stolz verführt mich immer wieder dazu, sie nur vor mir selber zu machen. Vor mir selber aber kann ich vernebeln, verharmlosen und verschleiern wie ich will. Vor mir selber brauche ich das Gewicht meiner Entschuldigungen nicht zu prüfen. Vor mir selber gibt es immer Gründe, die zu meinen Gunsten sprechen. Meine Fehler und Sünden mit den Augen Gottes zu sehen, ist eine Kunst, die uns Anfängern meist noch fehlt.
Deswegen aber brauche ich nicht zu verzagen. Gott kennt mich. Er weiß, dass ich ein Anfänger bin. Er weiß, was ich kann und was nicht, und beurteilt mich dementsprechend. Was er will ist, dass ich all mein Versagen und meine Fehler möglichst offen darlege und ihm zur Beurteilung überlasse. Wenn ich dann aufmerksam bin, so merke ich immer wieder, dass er selber mich Schritt für Schritt zu einer immer besseren, immer ehrlicheren und gerechteren Beurteilung meiner selbst führen will. Es ist nie ein schlechtes Zeichen, wenn ich merke, dass ich im Grunde genommen gar nicht so gut bin, wie ich meine, dass mein Tun und Lassen noch lange nicht immer dem Willen Gottes entspricht. Gefährlich wird es erst, wenn ich mir auf diese meine Einsicht und meine Demut noch etwas einbilde.
Stolz hat viele Gesichter. Wenn ich ihn unter der einen Maske erkannt habe, kommt er gewiss schon mit einer anderen daher. Es gibt aber ein gutes Mittel, ihn in jeder Verkleidung zu erkennen. Überall, wo ich versucht bin, nicht mehr auf meinen Weg zu achten, sondern den Kopf hoch zu tragen, überall, wo ich mir etwas einbilde auf das, was ich tue und lasse, da steckt er dahinter. Sobald ich das merke, müsste bei mir sofort eine Warnleuchte aufblinken: "Vorsicht Stolpersteine!"
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